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Selim Danmar

Verfasst: Freitag 28. Februar 2020, 22:16
von Selim Danmar
Das feine Rascheln von Blättern und Zweigen lag in der Luft als eine sanfte Brise über die Baumkronen des Waldes hinweg glitt. Schartige Äxte, geführt von kräftigen Holzarbeitern, fraßen sich begierig in die Rinde der Bäume. So waren auch Selim und sein Vater im Wald um Feuerholz für den heimischen Ofen zu schlagen. In den letzten 2 Jahren von Selims bisher 8-jähriger Kindheit stellte sich heraus, dass die Götter ihn ganz und gar nicht mit starken Armen oder einem besonders sportlichen Körperbau gesegnet hatten. Sein Vater versuchte alles um das in seinem Geiste vorgestellte Bild eines Jungen, der einmal in seine Fußstapfen treten sollte, zu erfüllen. Das einzige Talent, das Selim offenbar zur Perfektion gemeistert hatte, war es, seinen Vater immer wieder aufs Neue zu enttäuschen und bloßzustellen. Sei es nun seine komplett falsche Körperhaltung beim Ausholen mit der Axt, beim Sägen oder bei der Arbeit mit einem Hammer – Selim schien für jegliche körperliche Arbeit nicht geeignet zu sein. Er steckte seine Nase viel lieber in Bücher, konnte bereits mit 6 Jahren lesen und lauschte den alten Geschichten seiner Mutter mit großer Begeisterung.

Es begab sich einst auf dem Felde als Selim einen Kampf zwischen einem Fuchs und einem Wolf mit ansah. Seinem kindlichen Übermut verschuldet, geriet der noch kleine Junge zwischen die Fronten und stellte sich den blitzenden Reißzähnen des Wolfs entgegen. Kurz bevor sich das mit spitzen Zähnen versehene Maul um seine Kehle schließen konnte, entstand explosionsartig eine Druckwelle um Selim und hüllte ihn in einen silbrig glänzenden Schutzschild ein. Jaulend wurde der Wolf nach hinten geschleudert und seine Flucht wurde von aufgeregtem Vogelgezwitscher und einem durch die Druckwelle aufgekommenen peitschenden Wind begleitet. Von dem Fuchs war bereits jede Spur verschwunden, Selim konnte es ihm nicht verübeln. Ungläubig schaute er an seinem Körper herunter, auf seine Hände und auf den Boden rund um ihn herum, aber von dem silbernen Schild war nichts mehr zu sehen. Just in dem Moment schob sich eine Wolke am Himmel vorbei und gab eine wunderschöne Sicht auf die abendliche Sonne frei. Eigentlich war Selim aufs Feld gegangen um Kräuter für seine Mutter zu sammeln, doch mit einem solchen Abenteuer und einer so wundervollen Aussicht hätte er niemals gerechnet. Es war wie in einer der Geschichten, die seine Mutter ihm erzählte. Merrldyn selbst erschien den Menschen und fuhr vom Himmel herab, umgeben von goldenem Licht und Sonnenstrahlen. Es muss so ähnlich ausgesehen haben wie jetzt gerade. Von diesem Tage an war Selim sich sicher, dass es nicht nur Geschichten waren – die Götter existierten und allein durch ihr Wirken wurde uns überhaupt erst unser Leben auf dieser Welt geschenkt.

Die nächsten Jahre vergingen ohne weitere herausragende Ereignisse. Selim ging bei seiner Mutter in die Lehre. Obgleich er nicht für körperliche Arbeit geschaffen worden zu sein schien, wiesen seine Hände durchaus eine beachtliche Fingerfertigkeit auf. Die Hände, die einst beim korrekten Halten einer Axt versagten, vermochten es, fachmännische Verbände anzulegen, Kräuter zu mischen, Tee zu kochen und Tinkturen zu mischen. Die Begebenheit auf dem Feld behielt er für sich, er hatte keine Ahnung wie seine Eltern darauf reagieren würden – wahrscheinlich hätten sie ihn für verrückt gehalten oder ihn gescholten, in so jungen Jahren bereits zu tief in den Krug geblickt zu haben. Sein tiefer Glaube an die Götter, an Merrldyn und an Salus, war seitdem sehr stark und ungebrochen und in den Gebeten fand er die Ruhe und den Trost, den er benötigte um seinen Eltern ihre mangelnde Einsicht in seine Fähigkeiten zu vergeben. Er liebte sie, keine Frage, und doch hatte Selim nicht vor, länger als nötig in Waldbergen zu bleiben. Er wollte die Welt sehen und seine Bestimmung finden… oder sich von ihr finden lassen.

So machte Selim Danmar sich auf die Reise nach Faringard. Er hatte von dem Ausbruch der Pest gehört und würde alles in seiner Macht stehende tun um den von der Seuche geplagten Einwohnern hilfreich zur Seite zu stehen.

Re: Selim Danmar

Verfasst: Montag 6. April 2020, 22:35
von Selim Danmar
Mit einem leisen Schmatzen trafen seine Schuhe auf dem matschigen Trampelpfad auf, der ihm den Weg nach Faringard wies. Schon von weiter Ferne waren die mächtige Holzpalisade und die wehenden Flaggen der Stadt zu sehen und ein jeder mochte sich fragen, welch tollkühnen Intentionen jenen folgen würden, die diese von der Pest heimgesuchte Stadt betreten würden. Die wärmenden Strahlen der Sonne trotzten jenen dunklen Gedanken und ließen die Stadt in einem sehr einladenden Schein erstrahlen. Der matschige Trampelpfad schälte sich aus den umliegenden Wäldern hervor und gab die letzten hundert Meter bis zum Stadteingang frei. Seine müden und schmerzenden Füße taten bis zuletzt ihren Dienst und brachten ihn sicher ins Innere der Stadt.

Die Torwache musterte ihn mit strengem Blick und klärte ihn über die aktuelle Situation auf. Es war vernünftig, keinen Bewohner mehr aus der Stadt herauszulassen – ganz im Gegensatz zu den Bedingungen unter denen man in dieser Stadt leben musste. Heruntergekommene Hütten, obdachlose Menschen und das wohl schmutzigste Wasser, das man je zu Gesicht bekommen hatte prägten die Umgebung. Zusätzlich lag ein alles ausfüllender Gestank nach Verwesung, Fäkalien und Kanalisation in der Luft. Obgleich sich in seinem Magen ein nicht enden wollender Brechreiz ausbildete, erkundete Selim das Elendsviertel und lernte die Bewohner kennen. Er war sehr erstaunt mit welcher Lebensfreude die Händler ihrem Tagwerk nachgingen obwohl ihr Leben in dieser Stadt alles andere als leicht zu sein schien. Dies bestärkte den noch jungen Priester allerdings umso mehr in seinem Vorhaben, die Krankheit dieser Stadt zu bekämpfen und einzudämmen. Nach einem Teller Schweinegeschnetzeltem des herzensguten Koches Porz verschwand auch das mulmige Gefühl im Bauch. Selim suchte sich ein provisorisches Dach über dem Kopf und verbrachte eine unruhige, aber zufriedene Nacht in dieser Stadt, die fürs erste seine neue Heimat werden würde. Wie gewohnt murmelte er sein Abendgebet an Merrldyn und schlief wohlbehalten ein.

In den nächsten Tagen versuchte er sich hier und da nützlich zu machen – er verrichtete Botengänge, sammelte Kräuter und Pilze für den lokalen Alchemisten und verteilte neue Wasservorräte an die Bewohner. Eines Tages war er zu einem festen Bestandteil ihrer Gemeinschaft geworden, weswegen ihm der Weg in das nächstobere Viertel der Stadt gewährt wurde. Es handelte sich dabei um einen glücklichen Zufall, denn von den Bewohnern des Elendsviertels wusste Selim bereits, dass sich die Kirche Faringards im oberen Viertel befand. Er würde nichts lieber als sie wieder instand zu setzen und die nächste Lichtmesse vorzubereiten. Der Schlüssel für die mächtige Kirchenpforte wurde einige Tage zuvor im Abfluss der Kanalisation entdeckt – Merrldyns Wege und Werkzeuge sind unergründlich. Schon nach kurzer Zeit verlassen mächtige Staubwolken den Eingang der Kirche als Selim sich einem gründlichen Frühjahrsputz zwischen den Kirchenbänken widmete. Es würde nicht mehr lange dauern und er würde Merrldyns Wort endlich im Volke verbreiten und seine Ausbildung als Priester beim Abgesandten des Bischofs beginnen können…

Re: Selim Danmar

Verfasst: Samstag 19. Juni 2021, 19:46
von Selim Danmar
Ein kurzer aber heftiger Sommerregen ergoss sich auf Faringard als Selim diesen Tag die Kirche nach dem Morgengebet verließ. Wie üblich rezitierte er die Liturgien des lichternen Herren und das Kirchenschiff wurde vom widerhallenden Echo seines Gemurmels erfüllt. Einige Gedanken blieben diesen Morgen jedoch unausgesprochen in seinem Geiste - zweifellos jedoch nicht verborgen für Merrldyn.

Wieso bin ich ein Priester.. in einer leeren Kirche..?! Was sind meine Aufgaben? Wen interessiert es, was ich sage? Diese Stadt mit diesen ... Menschen ... hat die Pest überlebt, trotzt allen Gefahren in der Umgebung als wäre es vollkommen selbstverständlich - niemand schert sich um uns, niemand denkt in jenen Momenten des Glücks, des Frohlockens und des Sieges an unseren Herrn und Vater. Nur in dunklen Zeiten... dann wird gebettelt, um Gnade gewinselt und um Hilfe erbeten - die Kirche trägt Verantwortung... in dunklen Zeiten für alles; in guten Zeiten, so scheint es, hört ihr niemand zu.

Dieser krankheitsähnliche Zustand sollte sich nun ändern.